Grundgesetz

Staatsziel Tierschutz

Seit Anfang der neunziger Jahre, als im Zuge der deutschen Vereinigung die Entscheidung über eine zeitgemäße gesamtdeutsche Verfassung anstand, wurde darüber verhandelt, auch den Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Obwohl sich in repräsentativen Umfragen stets über 80 Prozent der Befragten dafür aussprachen, scheiterte das Anliegen damals ebenso wie weitere Gesetzesinitiativen in den Folgejahren. Zuletzt hatte das Staatsziel Tierschutz im Frühjahr 2000 die erforderliche Mehrheit im Deutschen Bundestag verfehlt.

Nach dem so genannten Schächturteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2002 wurde erneut ein Antrag zur Grundgesetzänderung in den Deutschen Bundestag eingebracht. Nunmehr gaben auch die bisherigen Gegner des Staatsziels ihre Bedenken auf und trugen die Verfassungsänderung mit. In Artikel 20a GG, in dem bereits die natürlichen Lebensgrundlagen geschützt sind, wurden die Worte „und die Tiere” eingefügt. Artikel 20a lautet nun:

“Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.”

Der Deutsche Bundestag stimmte dieser Formulierung am 17. Mai 2002 zu, der Bundesrat am 21. Juni 2002.  Die Grundgesetzänderung wurde am 31. Juli 2002 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am Tag darauf in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 53).

Das Mensch-Tier-Verhältnis ist durch die Verfassungsergänzung aber nicht vom einen auf den anderen Tag revolutioniert worden. Tierversuche waren nicht automatisch verboten und auch die industriellen Massentierhaltungen mussten nicht schließen. Andererseits ist das Staatsziel Tierschutz aber auch keine „nutzlose Verfassungslyrik“. Die Staatszielbestimmung verpflichtet die Staatsgewalten, dem Tierschutz zu einem möglichst hohen Stellenwert in unserem Rechts- und Wertesystems zu verhelfen.

In diesem Sinne ist das Staatsziel Tierschutz weiter zu konkretisieren: von der Politik bei der Gesetzgebung sowie von den Verwaltungsbehörden und Gerichten bei der Auslegung und Anwendung des Rechts. Das Staatsziel bietet dazu erstmals die echte Möglichkeit, den Tierschutz auch gegen die Interessen der Tiernutzer durchzusetzen. Es bildet ein entscheidendes Gegengewicht gegen menschliche Grundrechte wie die Freiheit von Forschung, Berufsausübung, Religion oder Kunst, die den Tiernutzung bislang weit gehenden Vorrang vor Tierschutz einräumten, nun aber gegen die Tierschutzerfordernisse abgewogen werden müssen.

Mit dem Staatsziel sind Tiere weder dem Menschen gleichgestellt noch ist deren Nutzung verboten. Es geht darum, den Umgang mit Tieren in ethisch verträgliche, tierschutzgerechte Bahnen zu lenken.

Gesetzgebung

Als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung kann der Bund Gesetze zu Tierschutzangelegenheiten erlassen (Art. 74 Nr. 20 GG). Auf dieser Grundlage wurde bspw. das Tierschutzgesetz erlassen.

Die Länder führen diese Gesetze aus (Art. 83 GG). Tätig wird in der Regel das Kreisveterinäramt. Dieses ist unter anderem für Kontrollen privater sowie gewerblicher Tierhaltungen zuständig und kann verwaltungsrechtliche Zwangsmittel anwenden.