Europarecht
Aufgrund der immer größeren Kompetenzen der Europäischen Union (EU) gerät auch das deutsche Tierschutzrecht immer stärker unter den Einfluss internationaler Regelungen. Der EU an sich steht jedoch keine Regelungskompetenz in originären Tierschutzfragen zu. Der Grund für den vielfältigen Einfluss der EU in Tierschutzfragen ist darin begründet, dass die EU für zahlreiche andere Regelungsbereiche wie den Binnenmarkt, Landwirtschaft, Fischerei oder den Verkehr zuständig ist. Viele dieser Bereiche wiederrum berühren Tierschutzfragen, so dass diese dann von der EU geregelt werden müssen. Manche Regelungsbereiche, wie die Missstände bei grenzüberschreitenden Tiertransporten, scheinen sich sogar nur im internationalen Rahmen lösen zu lassen.
Durch den Vertrag von Lissabon wurde 2009 der Artikel 13 in den neu entstandenen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingefügt, der wie folgt lautet: “Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe.”
Maßgeblichen Einfluss haben vor allem die Richtlinien und Verordnungen als Rechtsakte der Europäischen Union (EU). Außerdem gibt es eine EU-Tierschutzstrategie (2012-2015) mit deren Hilfe die Lücken des EU-Tierschutzrechts bei der Information und Umsetzung von bestehenden Tierschutznormen in der EU geschlossen werden sollen.
Aber auch die Übereinkommen des Europarates – an dem auch Nicht-EU-Staaten teilhaben – prägen als völkerrechtliche Verträge den Tierschutz in Deutschland und Europa entscheidend mit. Bisher gibt es insgesamt fünf europäische Übereinkommen bezüglich des Schutzes von Heimtieren, Tieren beim internationalen Transport, Tieren in landwirtschaftlicher Tierhaltung, Schlachttieren und zur Haltung von Versuchstieren.
Die zunehmende Europäisierung des Rechts hat einerseits den Vorteil, dass die Staatengemeinschaft auch solche Nationen beim Tierschutz “mitzieht”, die ihm ansonsten weniger Beachtung schenken würden. Andererseits droht die Gefahr, dass Staaten, die im Tierschutz schneller vorangehen wollen, dabei aufgehalten werden.
In keinem Fall darf der Hinweis, dass “eine Einigung im europäischen Rahmen” anzustreben sei, als Ausrede dienen, um nationale Fortschritte im Tierschutz zu verhindern. Das Prinzip, dass die weniger tierschutz-sensiblen Staaten mitgezogen werden, kann nur dann funktionieren, wenn jemand da ist, der zieht. Tierschutz-interessierte Staaten müssen – wo immer es möglich ist – auf nationaler Ebene vorangehen, um bei den übrigen Staaten glaubhaft einfordern zu können, ebenfalls mehr für den Tierschutz zu tun.
Rechtsakte
In der Europäischen Union sind verschiedene Rechtsakte vorgesehen, durch die Belange des Tierschutzes geregelt werden können. Am häufigsten greift die EU auf Richtlinien und Verordnungen zurück.
Verordnungen: Sie sind unmittelbar gültig und in allen EU-Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich, ohne dass es nationaler Umsetzungsmaßnahmen bedarf. z.B. Verordnung über das Verbot der Ein- und Ausfuhr von Hunde- und Katzenfellen (EG Nr. 1523/2007).
Richtlinien: Richtlinien geltend nicht unmittelbar, sondern müssen entsprechend den einzelstaatlichen Verfahren in nationales Recht umgesetzt werden. Sie binden die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichenden Ziele, überlassen den nationalen Behörden jedoch die Wahl der Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. z.B. “Tierversuchsrichtlinie” (2010/63/EU) oder “Schweinehaltungsrichtlinie” (2008/120/EG)
Entscheidungen und Beschlüsse: Sie sind für die Empfänger rechtlich verbindlich. Sie bedürfen daher keiner nationalen Umsetzungsmaßnahmen. Entscheidungen können an Mitgliedstaaten, Unternehmen oder Einzelpersonen gerichtet sein. z.B. Beschluss des Rates (2004/544/EC) vom 21. Juni 2004 über die Unterzeichnung des Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport
Empfehlungen und Stellungnahmen: Sie sind nicht verbindlich.
Die Europäischen Kommission gibt einen Überblick über die Rechtsakte der EU, die den Tierschutz betreffen.